Juni 2013:
Der Kläger hat gewonnen!!! Genehmigung kassiert.
Urteil des OVG Schleswig zum Zwischenlager Brunsbüttel
19. Juni 2013 OVG Schleswig:
Atommülllagerung im Zwischenlager Brunsbüttel ist nicht sicher. Die Genehmigung des Zwischenlagers ist damit aufgehoben.
PM des OVG Schleswig vom 20.6.2013
OVG Schleswig hebt die Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel auf
Nach zweitägiger mündlicher Verhandlung hat der 4. Senat des Schleswig-
Die Genehmigung war vom Bundesamt für Strahlenschutz im November 2003 erteilt und für sofort vollziehbar erklärt worden. Sie erlaubt die Aufbewahrung von bestrahlten Brennelementen ausschließlich aus dem Kernkraftwerk Brunsbüttel in maximal 80 Castor-
Die im Februar 2004 gegen die Genehmigung erhobene Klage eines Anwohners hatte der 4. Senat des OVG mit Urteil vom 31. Januar 2007 (4 KS 2/04) zunächst abgewiesen; dieses Urteil war aber vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. April 2008 (7 C 39.07) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das OVG zurückverwiesen worden. Der Kläger hat gegen die Genehmigung des Zwischenlagers im Wesentlichen eingewandt, dass die Risiken terroristischer Angriffe u.a. durch gezielten Absturz eines Verkehrsflugzeuges sowie den Einsatz panzerbrechender Waffen gegen das Lager nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Insbesondere habe das beklagte Bundesamt nicht untersucht, welche Folgen Terrorangriffe auf das Lager in Form eines gelenkten Absturzes eines Airbus A380 und des Einsatzes moderner panzerbrechender Waffen der sog. dritten Generation für den Kläger hätten. Dem Gericht war ein wesentlicher Teil der Unterlagen der Genehmigungsbehörde unter Berufung auf Geheimhaltung nicht vorgelegt worden. Die Geheimhaltung war vom Bundesverwaltungsgericht im sog. in-
In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende des 4. Senats Habermann aus, das Bundesamt für Strahlenschutz habe es versäumt, die Folgen eines Absturzes eines Airbus A380 auf das Zwischenlager vor der Genehmigungserteilung zu ermitteln, obwohl die hierfür erforderlichen Daten vorlagen. Das Gericht habe offengelassen, ob dieses Ermittlungsdefizit durch eine nachträgliche Untersuchung der Behörde aus dem Jahr 2010 gegenstandslos geworden sei; insoweit bestünden aber jedenfalls Zweifel gegenüber der verwendeten Untersuchungsmethodik.
Ein weiteres Ermittlungsdefizit der Beklagten liege darin, dass im Genehmigungsverfahren bei der Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen auf Castorbehälter offensichtlich nur ein älterer Waffentyp aus dem Jahr 1992 berücksichtigt worden sei, obwohl neuere Waffen eine größere Zerstörungswirkung auf das Inventar der Castorbehälter haben könnten und schneller nachladbar sind, was für die Trefferanzahl von Bedeutung sein könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar geworden, dass wegen sogenannter „ausreichender temporärer Maßnahmen“ bis zu einer künftigen Nachrüstung des Zwischenlagers nunmehr das Risiko des Eindringens entschlossener Täter in das Lager ausgeschlossen sein solle.
Zusätzlich habe die Genehmigungsbehörde es versäumt zu ermitteln, ob infolge der erörterten Angriffsszenarien der Eingreifrichtwert für die Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung überschritten würde, obwohl auch eine Umsiedlung als schwerwiegender Grundrechtseingriff hier zu berücksichtigen sei. Ein weiterer Bewertungsfehler der Behörde liege in der Anwendung des sog. 80-
Gegen das Urteil (Az.: 4 KS 3/08) kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Verantwortlich für diese Presseinformation: Dr. Birthe Köster, stellv. Pressereferentin
Schleswig-
Begleitaktionen zum Prozessbeginn:
Pressemitteilung von .ausgestrahlt –
Schleswiger Urteil: Atommüll-
Auch die anderen 16 Zwischenlager bundesweit sind nicht sicher / Castor-
Zur Aufhebung der Genehmigung des Atommüll-
„Der Kaiser ist nackt! Oder anders gesagt: Deutschland hat keine legale Lagerung von hochradioaktivem Atommüll mehr. Denn die anderen 16 Lagerhallen für Castor-
Damit ist auch der Bund-
Die dort verabredete Klärung der Castor-
Die Lagerung der Castoren, die bereits in der Brunsbütteler Halle stehen, hat seit heute keine Rechtsgrundlage mehr. Aber es gibt auch keinen anderen sicheren Platz für sie. Ein unfassbares Dilemma und ein großes Eigentor für alle, die die weitere Produktion von Atommüll immer noch für verantwortbar halten.
Mit dem heutigen Urteil wird das ganze Dilemma der Atommüll-
deutlich: Auch nach Jahrzehnten der Nutzung der Spitzentechnologie Atomkraft, sind wesentliche Sicherheitsfragen ungelöst. Es ist unverantwortlich, immer noch in neun Reaktoren tagtäglich weiteren Atommüll zu produzieren. Die AKW müssen jetzt abgeschaltet werden und nicht erst 2022.“
.ausgestrahlt ist eine bundesweite Anti-
Pressedienst von ausgestrahlt.de
Für Rückfragen mailto:presse@ausgestrahlt.de oder im Internet unter:
http://www.ausgestrahlt.de
Zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur Aufhebung der Genehmigung des Zwischenlagers Brunsbüttel erklärt Schleswig-
KIEL. „Wir erwarten, dass das Bundesamt für Strahlenschutz nach Vorliegen des schriftlichen Urteils dieses schnell bewerten und gebotene Schlussfolgerungen ziehen wird. Was das Urteil für die bereits jetzt eingelagerten Castoren im Zwischenlager Brunsbüttel bedeutet, wird die Atomaufsicht sorgfältig prüfen. So lange es nicht rechtkräftig ist, ergibt sich für die im Zwischenlager befindlichen Castoren keine atomrechtliche Konsequenz.
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat immer versichert, dass es ein umfassendes Genehmigungsverfahren durchgeführt hat. In die Prüfung einbezogen waren unter anderem etwaige bewaffnete Terroraktionen auf das Zwischenlager und infolge der Ereignisse des 11. September 2001 der gezielte Angriff mit einem Großflugzeug. Wenn über solche Szenarien vor Gericht verhandelt wird, die entscheidenden Unterlagen hierzu aber aus Geheimschutzgründen nicht vorgelegt werden dürfen, ist das problematisch.
Das Urteil kann sich zudem auf die aktuelle Diskussion über das Endlagersuchgesetz und die damit zusammenhängende Frage der Zwischenlagerung von Castoren aus der Wiederaufbereitung auswirken. Die Einlagerung solcher Castoren ist ohnehin auf der Basis der vom OVG beurteilten Genehmigung nicht zulässig. Für eine Lagerung wäre ein eigenständiges Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Strahlenschutz erforderlich. Hierbei war für Schleswig-
Im Übrigen wird einmal mehr deutlich, in welch elende Lage uns die Atomkraft geführt hat: Wir produzieren Atommüll und wissen nicht, wohin damit. Neben der Notwendigkeit, das bestmögliche Endlager zu finden, wird einmal mehr deutlich, dass wir so wenig Atommüll wie möglich produzieren sollten und so schnell wie möglich damit aufhören.“
Hintergrund: Beklagter in dem Verfahren beim Oberverwaltungsgericht ist das Bundesamt für Strahlenschutz als zuständige Genehmigungsbehörde und nicht das Land Schleswig-
Verantwortlich für diesen Pressetext: Nicola Kabel | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume | Mercatorstr. 3, 24106 Kiel | Telefon 0431 988-
Das Ministerium finden Sie im Internet unter www.melur.schleswig-
Bericht über das Urteil im NDR:
Zwischenlager Brunsbüttel nicht rechtens
Die Genehmigung zur Lagerung abgebrannter Brennstäbe im Zwischenlager Brunsbüttel ist aufgehoben.Im Prozess um die Genehmigung des Atommüll-
http://www.ndr.de/regional/schleswig-
Prozeßbeginn zur Sicherheit Zwischenlager Brunsbüttel:
dazu die Pressemitteilung von Brokdorf-
Prozess um das Zwischenlager Brunsbüttel vor dem OVG Schleswig –
Wird das Gericht dem Druck verschiedener Lobby-
Die Klage eines Anwohners gegen die Bundesrepublik Deutschland ist vom Bundesverwaltungsgericht zur erneuten Sachaufklärung an das Schleswig-
Die Genehmigung für das atomare Standortzwischenlager (ZL) Brunsbüttel wurde am 28.11.2003 vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilt. Am 17.2.2004 reichte ein Brunsbütteler Bürger dagegen Klage ein. Das OVG Schleswig wies die Klage am 31.1.2007 ab. Das Bundesverwaltungsgericht gab der dagegen eingelegten Revision statt und verwies die Klage mit Beschluss vom 10.4.2008 ans OVG zurück mit der Aufforderung zu prüfen, ob die Genehmigung willkürfrei erteilt worden ist.
Das OVG hatte die Klage damals abgewiesen, weil es die maßgeblichen Vorschriften des Atomgesetzes zum Schutz vor Störmaßnahmen und Einwirkungen Dritte (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG) generell für nicht drittschützend ansah und damit Anwohnern von Atomanlagen einen Schutzanspruch im Hinblick auf terroristische Angriffe, insbesondere in Bezug auf den (gezielten) Flugzeugabsturz und einen Angriff mit panzerbrechenden Waffen grundsätzlich absprach.
Das Verfahren hat Rechtsgeschichte geschrieben, weil das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich geklärt hat, dass Kläger überprüfen lassen können, ob mit der atomrechtlichen Genehmigung ausreichende Schutzvorkehrungen gegen entsprechende (auch terroristisch motivierte) Ereignisse getroffen worden sind. (Diese neue Rechtsauffassung war nach den Ereignissen in den USA vom 11.9.2001 überfällig.)
Die Sachaufklärung durch das OVG gestaltet sich indes äußerst schwierig:
1. Das beklagte BfS hat es abgelehnt, dem Gericht detaillierte Angaben zu den vorgesehenen Schutzmaßnahmen vorzulegen. Dies wird damit begründet, dass mutmaßliche Täter daraus Schlüsse ziehen könnten, wo Lücken im Sicherungskonzept liegen und wo bauliche Schwachstellen vorliegen.
Die Anwälte der beigeladenen Firma Vattenfall behaupten sogar dreist, dass diese Geheimhaltung auch zum Wohle des Klägers gereicht (der ja seine Klage gar nicht detailliert begründen kann); denn es sei für den Kläger besser, die Klage zu verlieren als wenn Terroristen technische Daten zur Kenntnis bekämen.
Dem Gericht geben die Anwälte praktisch die Empfehlung, ohne Kenntnis der Unterlagen einfach nach dem gesunden Menschenverstand zu urteilen.
Hier soll also die grundgesetzlich verbriefte Gewaltenteilung eingeschränkt und die Kontrollfunktion der Gerichte ausgehöhlt werden. Der Gesellschaft dienlicher wäre es, sich einer derart gefährlichen Technologie schnell zu entledigen, statt die Aufgaben der Organe des Rechtsstaats zu beschneiden.
2. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hatte für das BfS die Flugzeugabsturzsicherheit des ZL Brunsbüttel begutachtet und dabei nur leichtere Flugzeugtypen als den Airbus A380 betrachtet. In einem Schreiben der GRS vom 28.4.2013 heißt es, dass ihr zum Zeitpunkt der Genehmigung (Ende 2003) keine detaillierten Konstruktionsdaten vorgelegen hätten. Diese seien von der GRS erst im Herbst 2005 von der EADS „erbeten“ worden. Mit dieser Ausrede kann sich das Gericht unmöglich abspeisen lassen; denn –
Es liegt ein offensichtliches Ermittlungsdefizit der Genehmigungsbehörde vor. Der A380 ist ca. doppelt so schwer wie die bis dahin größten Verkehrsflugzeuge und seine Tanks können ca. 310.000 l Treibstoff fassen.
Die Methodik, mögliche auslösende Ereignisse kleiner anzunehmen als sie sind, in ihren Auswirkungen zu unterschätzen oder sogar ganz zu negieren, wird von Gutachtern gern angewendet, um die Kosten für erforderliche Gegenmaßnahmen für den Auftraggeber gering zu halten. (Probate Beispiele sind die zu niedrig bemessenen Sturmflutmauern am AKW Fukushima, die Deichhöhen an der Unterelbe, der Erdbebenschutz sowie als jüngstes Beispiel die zu niedrig bemessenen Deichbesticke an der Oberelbe.)
3. Vattenfall hat zwischenzeitlich einen Änderungsantrag für das ZL Brunsbüttel beim BfS gestellt, der noch nicht beschieden ist. Dabei soll es sich um das Verschließen von Lüftungsöffnungen und die Errichtung von Zwischenwänden im Inneren des ZL handeln, wodurch die Stellplatzkapazität sich von 80 auf 36 Castorbehälter verringern würde. Informationen zu diesem Genehmigungsverfahren werden wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dem Vernehmen nach soll es sich dabei um die Erhöhung der Sicherheit gegen terroristische Angriffe handeln. (Vergleichbare Anträge sollen auch für die übrigen ZL in Deutschland gestellt worden sein.)
Es stellt sich die Frage, ob sich das Gericht nur mit der Rechtmäßigkeit der Genehmigung aus dem Jahr 2003 beschäftigen will oder auch mit der beantragten Umrüstung, die möglicherweise deshalb beantragt wurde, um einer Prozessniederlage zuvorzukommen.
4. Trotz dieser rechtlich unübersichtlichen Lage hatte Bundesumweltminister Altmeier das ZL Brunsbüttel (und das ZL Unterweser, das ebenfalls noch beklagt wird) als mögliche Abstellplätze für die aus dem Ausland zurückzunehmenden hochradioaktiven Glaskokillen benannt. Eine schnelle Entscheidung sei nötig, um das noch unbedingt vor der Bundestagswahl zu beschließende Endlagersuchgesetz verabschieden zu können. Durch diese Hektik ist die Rechtsprechung des OVG zusätzlich erschwert. Die schleswig-
Die Initiative Brokdorf-
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